VORWORT

PDF, 64 Seiten, 4.2 MB

Wir sind eine Gruppe, die es wichtig findet, dass feministische Kämpfe – und damit meinen wir nicht vordergründig Kämpfe zu explizit frauen*spezifischen Themen – radikal in unserem Alltag mitgedacht werden und sich aneinander und mit den Erfahrungen vergangener Angriffe weiter entwickeln. Wir begreifen uns als Teil dieser Kämpfe, stecken aber als Aktivist*innen leider oft darin fest, Themen nebeneinander zu bearbeiten und hoffen auf ein langfristiges Ausbrechen aus dieser gedanklichen Logik der Teilbereichskämpfe.

Wenn wir begreifen, dass Gewaltverhältnisse gegenüber Flint* (Frauen-Lesben-Inter-Non-binäry-Trans) Personen in diesem System nicht von anderen Gewaltverhältnissen getrennt werden können, sollten unsere politischen Kämpfe diese Verhältnisse nicht getrennt analysieren. Wir wollen voneinander lernen, wie wir sie zusammen denken und zusammen angreifen können.

Auf der einen Seite haben wir es satt, dass organisierte Gruppen oft keine Notwendigkeit in Angriffen zu feministischen Themen oder entsprechende Zusammenhänge mit ihren Themen sehen, noch legen die wenigsten darauf außerhalb des 8. März/ Marsch für das Leben einen Fokus. Wir fragen uns auch immer wieder, warum ein Großteil feministischer Kämpfe nicht militant geführt oder selber militant verortet wird. In den eigenen Strukturen greifen dagegen patriarchale Mechanismen und Effizienzgedanken, die feministische Positionen und Kämpfe marginalisieren oder auf Flint*Personen abwälzen, die in dieser Atmosphäre stets unter dem Druck stehen, sich mit mackrigem Verhalten gemein zu machen.

Auf der anderen Seite gibt es etliche Kongresse, Graffiti, Demos und Aktionen von Gruppen, die feministische Organisierung propagieren, die begründen, dass der Ausschluss von Cis-Typen (Männer, denen bei ihrer Geburt das männliche Geschlecht zugeordnet wurde und die sich auch mit diesem Geschlecht identifizieren) in bestimmten Kontexten Sinn ergibt und die hartnäckig versuchen, die Thematik Sexismus und patriarchale Gewalt auf die Tagesordnung zu setzen.

Wir stellen in dieser Broschüre eine Chronik von Aktionen und den jeweiligen Bekenner*innenschreiben feministischer militanter Kämpfe aus dem vergangenen Jahr (Februar 2019 – Mai 2020) vor. Wir haben wenige Texte nicht aufgenommen, wenn diese keinen explizit feministischen Bezug, außer Grüße z.B. an die L34, vermerkt hatten. Weiter wurde sich, aufgrund der Vielzahl, auf das Zusammentragen von Aktionen beschränkt, die in der BRD stattgefunden haben.

Mit dieser Zusammenstellung soll die Sichtbarkeit feministischer Interventionen, Aktionsformen und Themen erhöht werden, da sie häufig kaum wahrgenommen werden und regelmäßig der Inhalt oder Auslöser hinter das Level der Aktion zurück tritt. Erfreulicherweise haben die wiederholten Aktionen der Feministischen Autonomen Zellen „FAZ“ es geschafft, dass Aktionen und Bekenner*innenschreiben aufgegriffen, statt überflogen, wurden. Ob das allein der Namensgebung geschuldet ist, bleibt zu diskutieren.

Es geht uns mit dieser Broschüre auch schlicht um ein Archiv auf einen Blick. Durch eine beeindruckende Fülle, die sich in dieser Chronik ergibt, kann motiviert werden und sie gibt die Möglichkeit, Ideen zu ergänzen und nachzumachen.

Feministisch organisiert zu sein heißt für uns alle etwas anderes, aber vielleicht erreichen wir es, in der nächsten Zeit Bezüge durch unsere Aktionsformen, Organisierung und Themen zueinander herzustellen und zu schärfen, statt herrschende Diskurse und Daten von Reaktionären in den Vordergrund zu stellen. Wir sollten uns genauso wenig daran abarbeiten, spektakuläre Aktionen machen zu müssen, damit auch andere mal hinschauen, noch sollten wir versäumen, inhaltlich zu intervenieren, wo in unseren Gruppen stumpfer Aktionismus gepredigt wird, während inhaltlich und sozial keine parallele Entwicklung stattfindet.

Neben den 4 Themenpunkten – 8. März, Fundis, Liebig34 und FAZ – haben wir noch Berichte im Kapitel „Diverses“ gesammelt. Dort finden sich Texte zu den Bereichen Fantifa, Knast, Gentrifizierung, Umwelt etc. Zum Abschluss haben wir einen kurzen historischen Bezug mit einem Interview der Roten Zora platziert. In ihren Analysen kommen ähnliche Gedanken zu Problemen auf, vor denen wir, vor allem als Flint*, heute wie damals stehen: Wie können wir leicht nachahmbare militante Praxis vermitteln?

Warum liegt es bei Frauen*, frauen-spezifische Themen zu bearbeiten, während vermeintlich „allgemeine“ Themen bei den Typen liegen? Warum haben Frauen* das Problem, in einer gemischten Gruppe die Identität als Frau zurück stellen zu müssen, wenn es darum geht, eine Aktion durchzuziehen? Wie funktioniert die Anknüpfung an eine breitere Frauen*bewegung, die selber nicht thematisiert, dass Gewalt ein notwendiges Mittel sein kann? Wie können wir frauen*-spezifische Themen, verknüpft mit anderen Unterdrückungsmechanismen, angreifen?
Wir hoffen auf Nachamer*innen, die eine Chronik z.B. für Österreich oder die Schweiz zusammen stellen würden. Es wäre auch ein spannendes Projekt, inhaltliche  Dabatten zu sammeln zu den Themen: Umgang mit sexuellen Übergriffen in der eigenen Szene (1), internationale Bezüge (2) oder grundlegende feministische Analysen.

Wir stellen in dieser Broschüre eine Chronik von Aktionen und den jeweiligen Bekenner*innenschreiben feministischer militanter Kämpfe aus dem vergangenen Jahr (Februar 2019 – Mai 2020) vor. Wir haben wenige Texte nicht aufgenommen, wenn diese keinen explizit feministischen Bezug, außer Grüße z.B. an die L34, vermerkt hatten. Weiter wurde sich, aufgrund der Vielzahl, auf das Zusammentragen von Aktionen beschränkt, die in der BRD stattgefunden haben.

Cause the night belongs to us!

 

(1) Aktuell aus Frankfurt mit dem Aufruf Stellung zu beziehen: „Paper zur
Aufarbeitung und Verantwortungsübernahme sexualisierter Gewalt“:
https://de.indymedia.org/node/82717

(2) Reflexionen zum Besuch bei einer autonomen Frauenorganisation in
Rojava: „For who(m) the Revolution?“:
http://ak36.blogsport.de/2019/01/01/for-whom-the-revolution/